Marokkos wirtschaftlicher Aufstieg nimmt weiter Fahrt auf: Laut der spanischen Wirtschaftszeitung El Economista steht das nordafrikanische Königreich kurz davor, europäische Staaten wie Italien, Polen und Rumänien bei der Fahrzeugproduktion zu überholen. Hinter dieser Entwicklung steckt ein explosionsartiger Anstieg an Industrieinvestitionen – unterstützt von einem parallelen Tourismusboom. Diese Dynamik bringt Spanien zunehmend unter ökonomischen Druck, denn beide Sektoren gehören traditionell zu den wichtigsten Triebkräften der spanischen Wirtschaft.
Industrieoffensive mit Rückenwind aus dem Ausland
Finanzanalysten, darunter auch Fachleute der Investmentbank J.P. Morgan, sehen in Marokko mittlerweile eine „kosteneffizientere Alternative zu Spanien“. Der gezielte Ausbau der Fahrzeugproduktion und des Tourismus hat das Fundament für ein robustes, exportorientiertes Wirtschaftswachstum gelegt. Für 2025 wird ein Wachstum von rund 4 % erwartet – Tendenz steigend. Auch für 2026 und 2027 rechnen Ökonomen mit ähnlich positiven Entwicklungen.
Dieser Aufschwung wird durch strategische Direktinvestitionen begünstigt, die verstärkt in zukunftsorientierte Branchen wie Automobil- und Luftfahrtindustrie fließen. Marokkos wirtschaftliches Erfolgsrezept basiert auf mehreren strukturellen Vorteilen: politische Stabilität, planbare wirtschaftliche Rahmenbedingungen, konkurrenzfähige Löhne und die Nähe zu Europa.
Autoindustrie als Rückgrat des Aufschwungs
Die Automobilbranche hat sich inzwischen zu einem der tragenden Pfeiler des marokkanischen Arbeitsmarktes entwickelt. Parallel sorgt der Tourismus für hohe Einnahmen, die wesentlich zur Verbesserung der Handelsbilanz beitragen. So sank das Handelsdefizit 2024 auf nur 1,7 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – im ersten Quartal 2025 sogar auf 1,1 %. Sollte der Trend anhalten, könnte sich die Bilanz in einen leichten Überschuss verwandeln.
Laut Daten des marokkanischen Ministeriums für Industrie und Handel verzeichnete das Land in den ersten sechs Monaten 2025 ein Plus von 36 % in der Autoproduktion – über 350.000 Fahrzeuge wurden gefertigt. Gleichzeitig stieg die Zahl internationaler Touristen um 16 % im Vergleich zum Vorjahr.
„Automekka Afrikas“ – strategische Partner und neue Player
Ein Schlüsselfaktor des Erfolgs liegt in der langjährigen Zusammenarbeit mit europäischen Autoherstellern. Renault hat in Tanger bereits tief verwurzelte Produktionsstrukturen aufgebaut, während Citroën plant, bis 2027 jährlich 100.000 zusätzliche Fahrzeuge in Marokko zu montieren. Der Fokus liegt dabei auf schlanken, kostengünstigen Fertigungsprozessen in unmittelbarer Nähe zu den europäischen Absatzmärkten.
Gleichzeitig wächst das Interesse chinesischer Investoren. Der Batteriehersteller Gotion High-Tech etwa plant ein Mega-Werk für Elektrofahrzeugbatterien, das die Industriekapazitäten des Landes weiter stärken soll. Weitere Projekte chinesischer Konzerne im Bereich Elektromobilität sind in Vorbereitung.
Tanger und Kenitra als Zukunftsstandorte
Insbesondere die Industriezentren Tanger und Kenitra profitieren vom aktuellen Investitionsklima. Europäische und chinesische Kapitalströme sorgen dort für den Ausbau bestehender Werke und die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Die britische Analysefirma Capital Economics sieht Marokko deshalb klar auf dem Weg, Länder wie Polen oder Italien in puncto Fahrzeugbau zu überholen – sofern das jetzige Tempo anhält.
Historischer Vergleich: Spanien der 60er – Marokko der 2020er
El Economista zieht einen historischen Vergleich: Der wirtschaftliche Schwung in Marokko erinnere an Spaniens Industrialisierungs- und Tourismusboom in den 1960er- und 1970er-Jahren – wenngleich unter anderen geopolitischen Vorzeichen. Besonders ambitioniert: Der geplante Schiffbaukomplex in Casablanca. Dieser könnte mittelfristig sogar südeuropäische Werften in Größe und Effizienz übertreffen.