Die libysche Hauptstadt Tripolis befindet sich seit Montagabend in einer akuten Sicherheitskrise. Straßen verwandeln sich zunehmend in Kampfzonen rivalisierender bewaffneter Gruppierungen. Die Lage alarmiert nicht nur die lokale Bevölkerung, sondern auch internationale Beobachter.
Dringender Aufruf zu einem Waffenstillstand
Der Stadtrat des Zentrums von Tripolis veröffentlichte am Mittwochmorgen eine eindringliche Erklärung mit dem Appell zu einem sofortigen Waffenstillstand und „besonnenem Handeln“. Er warnte vor „ernsthaften Konsequenzen, die den inneren Frieden bedrohen und die Spaltung zwischen den Städten sowie den libyschen Bevölkerungsgruppen vertiefen“. Die Gewalt im Herzen der Stadt hat sich laut Rat mittlerweile zu einem regelrechten Kriegsschauplatz ausgeweitet.
Internationale Reaktionen: UN und USA zeigen sich äußerst besorgt
Die UN-Unterstützungsmission in Libyen verurteilte die „rasch eskalierende Gewalt“ und berichtete von zivilen Opfern. Die US-Botschaft äußerte „große Besorgnis“ und forderte eine „umgehende Deeskalation“. Beide Seiten hoben hervor, dass die Eskalation das fragile Gleichgewicht des Landes ernsthaft gefährde.
Politische Spannungen zwischen Präsidialrat und Regierung
Der Vorsitzende des Präsidialrats, Mohammed al-Menfi, traf sich mit Vertretern aus Suq al-Juma, einem besonders betroffenen Viertel. Die Delegation zeigte sich verärgert über Entscheidungen von Regierungschef Abdul Hamid Dbeiba, die die Effektivität der Sicherheitskräfte untergraben würden. Der Rat bekräftigte seine Unterstützung für die Rechtsstaatlichkeit und warnte vor einer Einschränkung seiner Zuständigkeiten.
Dbeiba versuchte, die Situation zu beruhigen:
„Das, was in Tripolis erreicht wurde, bestätigt, dass die staatlichen Institutionen das Land schützen und die Würde der Bürger wahren. Es gibt keinen Platz für andere Mächte als die staatlichen Institutionen, und keine Macht außer dem Gesetz.“
Kritik an der Regierung Dbeiba
Der Premierminister-Kandidat Abdulbaset Emhamed Saleh Al-Qamati äußerte gegenüber der marokkanischen Zeitung „Al-Sahifa“ scharfe Kritik an der Regierung:
„Die Ereignisse offenbaren das katastrophale Versagen der Politik der Regierung Dbeiba. Staatliche Einrichtungen sind zu Vehikeln der Korruption verkommen, Transparenz und Verantwortlichkeit fehlen gänzlich.“
Er machte Dbeiba und seine Regierung ausdrücklich für das Chaos verantwortlich und betonte:
„Illegale Verlängerungsversuche dieser Regierung sind inakzeptabel. Das libysche Volk fordert grundlegenden Wandel und Stabilität.“
Interview mit Abgeordnetem Ali al-Takbali: „Dbeiba ist kein Teil eines echten Friedensprozesses“
Im exklusiven Gespräch mit „Al-Sahifa“ äußerte Parlamentsabgeordneter Ali al-Takbali seine Besorgnis:
„Die Kämpfe sind keine zufälligen Vorfälle, sondern eine gefährliche Eskalation. Tripolis ist erschöpft durch widersprüchliche Machtstrukturen, und die Zivilbevölkerung leidet immens. “Er kritisierte Dbeiba scharf: „Politisch profitiert er von der Zersplitterung der Sicherheitskräfte und unternimmt nichts zur Entwaffnung oder zur Schaffung einer geeinten Sicherheitsführung.“ Al-Takbali appellierte an die internationale Gemeinschaft:
„Wir benötigen eine echte nationale Einheitsregierung und keine fragile Machtkonstellation, die das Chaos lediglich verwaltet.“
Hintergrund: Jahre der institutionellen Zersplitterung
Die gegenwärtigen Auseinandersetzungen spiegeln langanhaltende politische Spaltungen in Libyen wider. Rivalisierende Institutionen und bewaffnete Milizen kontrollieren Teile der Hauptstadt, während der politische Übergangsprozess ins Stocken geraten ist.
Marokko hat in den letzten Jahren mehrere Dialogrunden unterstützt, darunter das Abkommen von Skhirat (2015) sowie Gespräche in Bouznika. Ziel war es, die Institutionen zu vereinigen und eine friedliche Konfliktlösung zu fördern. Die Umsetzung scheitert jedoch weiterhin an fehlendem politischen Willen und externen Einflüssen.